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INTERNATIONAL

Das neue Strommarktgesetz in Großbritannien
Markus Rosenthal
Zur Mitte der Legislaturperiode hat die britische Regierung ihrer Energiepolitik einen neuen Rahmen gegeben. Im Mittelpunkt der Energiemarktreform (ERM) des konservativ-liberalen Kabinetts unter David Cameron steht die Einführung eines
Kapazitätsmarktes mit einem Auktionsmechanismus. Die britische Regierung erhofft sich, dass mit der Reform „130 Mrd. €
an Investitionen ausgelöst werden und allein mehr als 250 000 Arbeitsplätze in der Energie- und Energieeffizienzwirtschaft
neu entstehen“, sagte der liberaldemokratische Energieminister Edward Davey, als das Gesetz Ende Dezember 2013 beschlossen wurde. Während es in den ersten Parlamentsberatungen zum „Energy Act“ 2012 noch um Fachfragen der Experten ging, ist die Energiepolitik inzwischen in der Mitte der Gesellschaft angekommen.
Der beginnende Wahlkampf trägt seinen
Teil dazu bei: In gut einem Jahr, im Mai
2015, wird im Vereinigten Königreich ein
neues Parlament gewählt. Oppositionschef
Ed Milliband von der Labourpartei kündigte an, dass im Falle eines Wahlsieges seiner Partei die Energiepreise für 20 Monate
eingefroren werden sollen. Zwar sind die
britischen Energiepreise niedriger als der
EU-Durchschnitt [1]. Jedoch haben sich diese für Industrie und Bewohner allein im Jahr
2013 um rd. 10 % erhöht. Die Gründe hierfür sind gestiegene Großhandelspreise, aber
auch zusätzliche Steuern sowie Gebühren
für Einspeisevergütungen und Energieeffizienzmaßnahmen.
Die gewonnenen Mittel werden zudem teilweise für die energetische Sanierung von
Gebäuden eingesetzt. Zusätzlich wird über
die Abgaben ein Heizkostenzuschuss für
sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen
finanziert. Allerdings steht aus Sicht der Regierung die Lenkungswirkung der Abgaben
im Vordergrund: Der CO2-Ausstoß soll belastet werden. Doch nach zahlreichen Protesten
von Energieversorgern und Verbrauchern
werden einige Öko-Abgaben nun gesenkt
und sollen jedem Haushalt rd. 60 € pro Jahr
an Einsparungen bringen.

War der britische Energiesektor früher für Investoren interessant, haben sich die Rahmenbedingungen durch immer neue und komplexe Regulierungen verschlechtert Eisenhans | Fotolia.com

Besteht eine Versorgungslücke
im Winter 2015/2016?

lagenrichtlinie und stoßen zu viel Schwefeldioxid, Stickoxide und Staub aus. Spätestens
bis zum 31.12.2015 müssen diese Kraftwerke laut den EU-Vorgaben abgeschaltet werden. Der Übertragungsnetzbetreiber National Grid hat bereits vorgeschlagen, Geschäfte
und Unternehmen am frühen Nachmittag zu
schließen, um die Energienachfrage einzudämmen. Als Anreiz sollen die Unternehmen
einen finanziellen Ausgleich erhalten.

Aus Sicht der Energie-Regulierungsbehörde
OFGEM (Office of Gas and Electricity Markets) besteht im Winter 2015/2016 das erste Mal die Gefahr einer Versorgungslücke
bei der Stromversorgung. OFGEM schätzt,
dass die verfügbaren Kapazitätsreserven im
Stromnetz von heute 14 % auf 4 % sinken werden. Zahlreiche Kohle- und Gaskraftwerke
entsprechen nicht der EU-Großfeuerungsan-

Allerdings hinterfragen zahlreiche Marktbeobachter die These der Stromlücke. So
verweist Graham Weale, Chief Economist
bei RWE, darauf, dass die Nachfrage nach
Elektrizität laut regierungsamtlicher Statistik kontinuierlich zurückgehe und bei Gas
sogar deutlich falle. Ein Trend, der auch
in anderen EU-Staaten wie Deutschland,
Frankreich und Italien zu sehen sei. „Die

120

zentrale Frage ist“, so Weale, „welchen Energiemix wir in 20 Jahren haben wollen, um
die Klimaziele zu den günstigsten Kosten zu
erreichen, und wie dieser finanziert wird.“

Differenzkontrakt ersetzt
Quotensystem für
erneuerbare Energien
Auf der Suche nach einer Antwort hat die
britische Regierung mit dem „Energy Act“
nun die Rahmengesetzgebung für die Förderung erneuerbarer Energien festgelegt.
Der erste Schritt ist der Abschied von dem
System der „Renewable Obligation“. Bisher
waren die Energieversorger verpflichtet,
Anteile ihres Stroms aus Erneuerbaren herzustellen bzw. sich über Ersatzmaßnahmen
und Zertifikatekauf von dieser Pflicht zu
befreien.

ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 64. Jg. (2014) Heft 1/2
INTERNATIONAL

Das neue Instrument, um CO2-freie Technologien wie Erneuerbare und Kernkraft zu
fördern, ist nun der Differenzkontrakt. Über
einen Basispreis, den sog. strike price, soll
sichergestellt werden, dass Energieerzeugern ein sicherer Abnahmepreis garantiert
wird. Dieser Differenzkontrakt (im Englischen Contract for Difference, CfD) ist bei
den Banken in der Londoner City ein erprobtes Finanzinstrument, dessen Mechanismus
nun ebenfalls im Elektrizitätsmarkt angewendet werden soll. Auf diese Art und Weise
sollen die Stromerzeuger einen garantierten
Abnahmepreis für ihre Energie erhalten.

Zusätzlich wird zur Kontrolle der Preishöhe und -funktion noch ein technisches
Expertengremium eingesetzt, das aus Projektfinanziers, Ökonomen und Ingenieuren
besteht. Dieses Gremium soll direkt an den
Energieminister berichten.

Die Erzeuger müssen sich um einen Differenzkontrakt im wettbewerblichen Verfahren bewerben. Bekommt ein Stromerzeuger
den Zuschlag, erhält er somit das Recht, am
Handel mit dem garantierten Abnahmepreis
teilzunehmen. Vereinfacht funktioniert der
Mechanismus wie folgt: Steigt der Strompreis über den Basispreis, also den „strike
price“, muss der Erzeuger den Differenzbetrag übernehmen. Diesen Betrag zahlt er an
das staatliche Unternehmen „CfD counterparty company“. Das neue Strommarktrecht
sieht vor, dass zwischen den Stromerzeugern und den Versorgungsunternehmen
die staatliche „CfD counterparty company“
geschaltet ist, die der direkten Weisungsbefugnis des Energieministers unterliegt. Seine Aufgabe ist es, einen eigenen bilateralen
Vertrag jeweils mit den Erzeugern und den
Anbietern im Industrie- und Endkundengeschäft herzustellen – mit dem Ziel, einen
Preis zu erreichen, bei dem sich langfristige Investitionen in den Energiesektor
lohnen.

Kapazitätsmarkt

Zahlreiche weitere Regulierungen sollen die
Funktionsfähigkeit und Liquidität innerhalb
dieses neuen Strommarktes absichern. Zum
Zeitpunkt der Drucklegung dieses Artikels
hatte die Regierung den Basispreis noch
nicht festgelegt, aber eine Konsultation zum
CfD-Mechanismus gestartet. Die Konsultation endet am 17.2.2014. In den folgenden
Monaten sollen auch die ersten Differenzkontrakte auf den Markt kommen. Der
„strike price“ wird dann für den Zeitraum
von 2014–2018 vom Energieminister festgelegt. Die relevanten Informationen, die die
politische Meinungsbildung zur Preisfindung beeinflussen, werden maßgeblich von
den Übertragungsnetzbetreibern geliefert.

Aus Sicht der Energiewirtschaft hat das neue
System trotz seiner Komplexität auch Vorteile: Investments im Kraftwerksbau werden
kalkulierbarer. Zudem wird verhindert, dass
ein volatiler Großhandelspreis zu instabilen
Marktbedingungen führen kann und bereits
getätigte Investitionen entwertet.

Zum Jahreswechsel 2018/2019 plant die
britische Regierung, einen funktionierenden Kapazitätsmarkt mit einem Auktionsmechanismus etabliert zu haben. Durch die
Neuerung sollen Investitionen in den Kraftwerkspark sich rechnen und Versorgungssicherheit garantiert werden.

Die Regierung plant trotz ihrer Ankündigung zum Kapazitätsmarkt dennoch über
eine Studie prüfen zu lassen, welche Vorteile das neue Marktdesign mit sich bringen
könnte. Werden durch die Novellen die klimapolitischen Ziele erreicht, Versorgungssicherheit garantiert und die Bezahlbarkeit
von Energie für Haushalte und Industrie
sichergestellt? Es gibt kaum Zweifel daran,
dass die verschiedenen Regierungs- und
Verwaltungsgremien dieses Vorgehen befürworten werden. Im nächsten Schritt wird
das Energieministerium eine Auktion mit
den Stromerzeugern durchführen. Können
die Anbieter nachweisen, dass sie über die
notwendige Erzeugungskapazität verfügen
und zudem aufzeigen, dass sie das Nachfragemanagement, etwa durch Smart  Metering, beherrschen, haben sie gute Chancen,
erfolgreich an der Auktion teilzunehmen.
Insbesondere der Bereich Smart  Metering
verspricht hier interessante Zukunftsperspektiven. Die Kosten für die zusätzliche
Kapazität soll von den Energieanbietern im

Leiter (m/w) der Komponente Erneuerbare Energien
Abuja, Nigeria
Tätigkeitsbereich
Eines der größten Probleme bei der Entwicklung der nigerianischen Wirtschaft ist die seit Jahrzehnten völlig
unzureichende Stromversorgung. Das erklärte Ziel der neuen Regierung ist es, mit einem Bündel von Maßnahmen diesem Missstand zu begegnen. Strukturen sollen überprüft, effizienter gestaltet oder neu geschaffen werden.
Das großvolumige GIZ-Vorhaben „Energiepolitikberatung in Nigeria“ im Auftrag des BMZ ist für die deutschnigerianische Energiepartnerschaft von hoher politischer Bedeutung.
Ihre Aufgaben
Als Leiter/in sind Sie verantwortlich für die fachliche Beratung des Energieministeriums, der Energieregulierungsbehörde sowie weiterer Institutionen und Behörden bei der Einführung förderlicher Rahmenbedingungen für
Erneuerbare Energien. Ihr Tätigkeitsfeld umfasst unter anderem die Steuerung der fachlichen, organisatorischen
und inhaltlichen Durchführung der Projektkomponente, die Beratung bei der Erstellung und Implementierung
von Strategien und Förderprogrammen als auch die Unterstützung beim Aufbau institutioneller Kapazitäten und
Strukturen für Erneuerbare Energien im Energieministerium sowie in der Regulierungsbehörde.
Ihr Profil
Sie sind Fachexperte/in für Erneuerbare Energien, insbesondere in den Bereichen Photovoltaik (PV), Wasserkraft
oder Biomasse. Sie kennen sich im Bereich der Privatisierung des Stromsektors sowie mit Energieplanung, Strompreisbildung, Netzbetrieb und Systemmanagement gut aus. Strategieentwicklung und Implementierung von
Förderprogrammen für Erneuerbare Energien sind Ihnen bestens bekannt. Interkulturelle Umsicht in der
Beratung anspruchsvoller Partner ist Teil Ihres Erfolgsrezepts.
Haben wir Ihr Interesse geweckt, dann freuen wir uns auf Ihre Bewerbung über unseren Online-Stellenmarkt:
www.giz.de/jobs. Job ID: 15402

www.giz.de

ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 64. Jg. (2014) Heft 1/2

ARBEITGEBER

121
INTERNATIONAL

Industrie- und Endkundengeschäft – und
somit letztlich vom Kunden – bezahlt werden.

tuell ändert. Die Berechnung des „carbon floor
price“ basiert somit auf Hochrechnungen und
wird politisch für mehrere Jahre festgelegt.

bezeichnen diese Form der Finanzierung als
Subvention, was ursprünglich von der Regierungskoalition ausgeschlossen wurde.

Aus Sicht von Graham Weale, Chief Economist bei RWE, bilden sowohl der Kapazitätsmarkt als auch das Instrument des Differenzkontraktes interessante Perspektiven.
Gleichwohl weist er darauf hin, dass der
Energieminister über den Energy Act erhebliche Eingriffsmöglichkeiten erhalte. Dies
wurde auch in den parlamentarischen Beratungen im House of Lords moniert und in
Teilen geändert. Weale verweist auf Spanien,
wo aus Kostengründen der zuständige Minister innerhalb einer sehr kurzen Zeit die
Förderung erneuerbarer Energien heruntergefahren habe. Solche Entwicklungen in anderen europäischen Staaten werden auch in
der britischen Energiewirtschaft sehr genau
wahrgenommen: Verlässlichkeit ist entscheidend für Investitionen in die Zukunft.

Zwar soll die Steuer bei einem steigenden
Zertifikatpreis sinken und sich bei einem
niedrigen Zertifikatepreis erhöhen. Doch
schon heute hat die Regierung den „carbon
floor price“ für die Jahre 2016 und 2017
höher angesetzt (25,25  € bzw. 29,32  €), da
sie davon ausgeht, dass sich der EU-Zertifikatepreis weiterhin auf niedrigem Preisniveau befinden wird – und dies trotz der
Backloading-Entscheidung des Europäischen
Parlamentes. Ab 2016 greift die neue Steuer voll beim Energieträger Kohle, der dann
zu erheblich geringeren Margen verstromt
werden wird. Der größte Wirtschaftsverband
Großbritanniens hat unter Leitung seines Generaldirektors John Cridland die Einführung
des „carbon floor price“ deutlich kritisiert.
Aus seiner Sicht wird die britische Industrie
in ihrer Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich
zu anderen EU-Staaten stark benachteiligt.

Durch den Zubau von Nuklearkapazitäten erhofft sich die Regierungskoalition von Premierminister Cameron sinkende Energiepreise.
Die endgültige Zusage von EDF und der China General Power Group für dieses Projekt
hängt u.  a. von der Entscheidung der EUKommission ab, welche aktuell prüft, ob der
vereinbarte Abnahmepreis nicht einer unrechtmäßigen staatlichen Beihilfe entspricht
und damit gegen das Wettbewerbsrecht verstößt. EU-Energiekommissar Günther Oettinger sagte dazu, dass hier die lange Frist von
35 Jahren ein Problem darstellen könnte.

Eine neue CO2-Steuer –
carbon floor price
Einen weitreichenden energiepolitischen Eingriff haben die britische Industrie und Energiewirtschaft bereits durch die Einführung
des „carbon floor price“ in 2013 verarbeiten
müssen. Diese CO2-Steuer auf fossile Energieträger verfolgt das Ziel, Investitionen in
treibhausgasarme und freie Energieträger
abzusichern. Damit reflektiert die Steuer die
Überlegungen des Ökonomen Nicolas Stern,
dass ein „Laissez-faire“ bei den Treibhausgasemissionen hohe gesellschaftliche Kosten
nach sich zieht. Die Thesen des Stern-Reports [2] haben einen breiten Widerhall in den
Medien und ebenso in der Politik gefunden.

Energiewirtschaftliche Rahmenbedingungen im Strommarkt
Obwohl die Regierung eine kohlenstoffarme
Wirtschaft erreichen will, hat die Bedeutung von Kohle für die Stromproduktion zugenommen. 2011 wurden 30 % des Stroms
mit Kohle hergestellt; 2012 waren es 42,8 %,
während der Anteil von Gas von 40  % auf
30  % zurückgegangen ist. Die Kernenergie
liefert rd. 20 % der Elektrizität, Wind 2,1 %
und Solar 0,32 %. Über 43 % der Energieträger werden importiert, und der CO2-Ausstoß
ist im Jahr 2012 um 3,5 % gestiegen.

Kernkraft
Der Referenzpreis für diese Steuer entsteht
im Europäischen Emissionszertifikatehandel. Dabei geht der britische Gesetzgeber
davon aus, dass der durchschnittliche Preis
eines Zertifikates für 1 t CO2 bei rd. 17 € liegt.
Aktuell bewegt sich dieser Wert bei rd. 5 €.
Der „carbon floor price“ wird zwei Jahre im
Voraus von der britischen Regierung festgelegt. Für das Jahr 2014 beträgt dieser 11,37 €
(9,55 ₤), für das Jahr 2015 21,53 € (18,08 ₤).
Kritiker monieren die Festlegung des Preises
durch die Politik, da so die britische Wirtschaft
von den Preissignalen des EU-Zertifikatepreises abgeschirmt werde, welcher sich tagesak122

Kernkraft ist ein weiterer Teil der britischen
Klimaschutzstrategie, um Treibhausgasemissionen und die Abhängigkeit von fossilen
Energieträgern zu reduzieren. Dafür soll das
„Hinkley Point C“-Kraftwerk in Somerset
durch den französischen Staatskonzern EDF
Energy gebaut werden. Im Oktober 2013 einigten sich die britische Regierung und EDF
auf einen festen Abnahmepreis von 110,10 €
für jede MWh – gültig für 35 Jahre. Dies ist
doppelt so hoch wie der aktuelle Elektrizitätspreis. Sollte EDF ein zweites Atomkraftwerk bei Sizewell in Suffolk bauen, würde
der Preis auf 106,60 €/MWh fallen. Kritiker

Kohle
Die Renaissance der Kohle speist sich aus
zwei Entwicklungen. Zum einen ist der
Preis für Treibhausgas-Zertifikate günstig.
Zum anderen kann die Importkohle wegen
des Frackings in den USA zu Niedrigpreisen
eingekauft werden. Gleichzeitig bleibt die
heimische Förderung von Kohle zu teuer.
„UK Coal“, der größte Kohleproduzent auf
der Insel, ging im Sommer 2013 in die Insolvenz. Während die Margen bei der Gasverstromung bei rd. 6,5 €/MWh liegen, liegt
sie bei Kohle aktuell bei 28 €/MWh, schreibt
die Financial Times.
Allerdings rechnen Energiewirtschaft und
Politik mit einer Drehung dieser Anteile ab
2016. Dann greift die EU-Großfeuerungsanlagenrichtlinie. Sollte die britische Regierung bis dahin keine europarechtskonforme
Übergangsregelung finden, müssen mehrere Altanlagen außer Betrieb genommen
werden. Gleichzeitig wird die „carbon floor“Steuer ab 2016 voll für Kohle greifen.

Schiefergas
Im Gegensatz zur Kernenergie, für die es einen breiten gesellschaftlichen Konsens gibt,
stößt das Thema Schiefergas auf eine erheblich skeptischere britische Öffentlichkeit. Bei
der Meinungsbildung haben sich die beiden
größten britischen Unternehmen in diesem
Bereich, BP und Shell, zurückgehalten. Simon Henry, Chief Financial Officer, kündigte
im April dieses Jahres an, dass Shell seine
Prioritäten in anderen Regionen sehe.

ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 64. Jg. (2014) Heft 1/2
INTERNATIONAL

Eine Studie des British Geological Survey
geht von einem Schiefergas-Aufkommen
von bis zu 62 Mrd. m3 aus. Davon sei nach
aktuellem Stand der Technik bis zu 20  %
wirtschaftlich zu erschließen. Die britische
Regierung möchte die heimische Schiefergasindustrie ausbauen. So versprach
Schatzkanzler George Osborne im März
2013 Steuervergünstigungen für Fracking.

LNG und Erdgas
Seit 2004 ist Großbritannien Nettoimporteur von Erdgas und seit 2005 von Erdöl.
Im Jahr 2012 kamen die Gas-Importe zu
55 % aus Norwegen, zu 27 % aus Katar und
zu 15 % aus den Niederlanden. Von den gesamten Gas-Importen entfielen 28 % auf die
Einfuhr von LNG – dies zu 98 % aus Katar.
50 % der Rohöl-Importe werden von Norwegen bezogen, es folgenden Nigeria mit 12 %,
Russland mit 11 % und Algerien mit 6 %. Im
Laufe des Jahres 2013 sind sowohl die britische Öl- als auch Gasproduktion weiterhin
stark gefallen. Damit wird der Import von
Gas, insbesondere von LNG, eine immer
größere Bedeutung einnehmen.

Unterstützung als in den anderen Regionen
Großbritanniens. Gleichzeitig verfügt das
Land über reiche Öl- und Gasvorkommen
und eine starke Offshore-Windindustrie, in
die auch zahlreiche deutsche Stadtwerke investiert haben.
Die schottische Regierung mit Sitz in Edinburgh erhofft sich durch die politische
Unabhängigkeit auch Energieautarkie. Zusätzlich will sie einen Staatsfonds nach
norwegischem Vorbild einrichten, der sich
aus den Energie- bzw. Energiesteuereinnahmen finanzieren soll. Allerdings plant der
schottische Ministerpräsident Alex Salmond
(Schottische Unabhängigkeitspartei, SNP) ab
spätestens 2020 den gesamten Energiebedarf
aus erneuerbaren Energien zu decken. Stimmen die Schotten mehrheitlich für eine Unabhängigkeit, würde aber eine Energiepartnerschaft mit der britischen Regierung sofort
greifen. Dann würde der „Energy Act“ und
somit der Kapazitätsmarkt auch in einem unabhängigen Schottland gelten.

diese Debatte rasch reagiert, indem er die
Energieeffizienzumlage auf den Energiepreis reduziert hat.
Die öffentlichkeitswirksamen Reden und Gegenreden sowie symbolischen Handlungen
überlagern aber die strukturellen Herausforderungen der britischen Energiewirtschaft.
War der britische Energiesektor früher für Investoren interessant, haben sich die Rahmenbedingungen durch immer neue und komplexe Regulierungen weniger positiv entwickelt.
Dies gilt sowohl für die Energieproduktionsseite wie auch für den Bereich Energieeffizienz und dort insbesondere für die energetische Gebäudesanierung. Dennoch lässt sich
festhalten, dass das Land dem Ziel einer CO2freien Energiewirtschaft inzwischen erheblich näher gekommen ist. Insbesondere im
Bereich Smart Metering ist Großbritannien
auf einem interesssanten Weg.

Anmerkungen
[1] Die Mitteilung der Finanzbehörde zum carbon

Ausblick: Energiepreise im Mittelpunkt der politischen Debatte

floor price findet sich im Internet: https://www.gov.
uk/government/uploads/system/uploads/attachment_
data/file/179259/carbon_price_floor.pdf.pdf

Der „Green Deal“
Neben dem Strommarkt spielt der Wärmemarkt mit 46  % Energieverbrauch und gut
30 % Treibhausgasemissionen eine zentrale
Rolle. Die britische Regierung hat mit dem
Green Deal seit Anfang 2013 ein Fördersystem etabliert, das die energetische Gebäudesanierung voranbringen soll. Hausbesitzer
können einen Green Deal-Kredit bei einem
Anbieter aufnehmen. Dies sind entweder
spezialisierte Finanzierungsunternehmen
oder Energieversorger wie British Gas oder
EDF. Über die Strom- und Gasrechnung wird
dieser Kredit dann getilgt. Allerdings haben bis Ende 2013 nur rd. 500 von 14 Mio.
Haushalten eine Green Deal-Finanzierung
beantragt. Regierungsvertreter erklären das
geringe Interesse unter anderem mit dem
aktuell niedrigen Zinsniveau.

Sonderfall Schottland
Am 18.9.2014 wird in Schottland eine Volksabstimmung zur Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich abgehalten, Energiefragen
spielen dabei eine zentrale Rolle. Die Kernenergie erfährt bei den Schotten weniger

Mit der Ankündigung des Oppositionsführers Ed Miliband, im Falle eines LabourWahlsieges die Energiepreise für 20 Monate
einzufrieren, ist das Thema Energiepreise
auf die politische Tagesordnung gekommen.
Premierminister David Cameron hat auf

[2] Stern, N.: The Economics of Climate Change. The
Stern Review, Cambridge 2007.

M. Rosenthal, Geschäftsführer, nuances public affairs, Berlin
mrosenthal@nuances.de

Smart Renewables 2014
Der Umbau der deutschen Energieversorgung schreitet voran. Mit zunehmendem Anteil erneuerbarer Energien am Strommix wachsen auch die Herausforderungen. Jetzt kommt es darauf an,
den Rollentausch von einer auf konventionellen Energieträgern hin zu einer auf Erneuerbaren basierenden Energieversorgung zu vollziehen. Das bedeutet: Zukünftig müssen die Erneuerbaren für
eine bezahlbare und sichere Energieversorgung sorgen. Wie das gelingen kann und an welchen
Stellschrauben jetzt gedreht werden muss – diese und andere Fragen wird auf der Smart Renewables 2014 vom 25.-26.2.2014 in Berlin diskutiert. Unter dem Motto lautet „Rollentausch: Wie
können die Erneuerbaren Energien die Energieversorgung sicherstellen?“ werden folgende Fragen
im Mittelpunkt stehen:
Wie kann ein Zielmodell zur Förderung der erneuerbaren Energien aussehen?
Welche Voraussetzungen müssen für eine Systemstabilität erfüllt werden?
Wo ergeben sich im Zusammenhang mit dem Ausbau der Erneuerbaren neue Geschäftsfelder?
Wie wird die Europakompatibilität der Förderung sichergestellt?
Weitere Information und Anmeldung zur BDEW-Leitveranstaltung Smart Renewables 2014 unter:
www.smart-renewables.de

ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 64. Jg. (2014) Heft 1/2

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Das neue Strommarktgesetz in Großbritannien - Energiewirtschaftliche Tagesfragen - Februar 2014

  • 1. INTERNATIONAL Das neue Strommarktgesetz in Großbritannien Markus Rosenthal Zur Mitte der Legislaturperiode hat die britische Regierung ihrer Energiepolitik einen neuen Rahmen gegeben. Im Mittelpunkt der Energiemarktreform (ERM) des konservativ-liberalen Kabinetts unter David Cameron steht die Einführung eines Kapazitätsmarktes mit einem Auktionsmechanismus. Die britische Regierung erhofft sich, dass mit der Reform „130 Mrd. € an Investitionen ausgelöst werden und allein mehr als 250 000 Arbeitsplätze in der Energie- und Energieeffizienzwirtschaft neu entstehen“, sagte der liberaldemokratische Energieminister Edward Davey, als das Gesetz Ende Dezember 2013 beschlossen wurde. Während es in den ersten Parlamentsberatungen zum „Energy Act“ 2012 noch um Fachfragen der Experten ging, ist die Energiepolitik inzwischen in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Der beginnende Wahlkampf trägt seinen Teil dazu bei: In gut einem Jahr, im Mai 2015, wird im Vereinigten Königreich ein neues Parlament gewählt. Oppositionschef Ed Milliband von der Labourpartei kündigte an, dass im Falle eines Wahlsieges seiner Partei die Energiepreise für 20 Monate eingefroren werden sollen. Zwar sind die britischen Energiepreise niedriger als der EU-Durchschnitt [1]. Jedoch haben sich diese für Industrie und Bewohner allein im Jahr 2013 um rd. 10 % erhöht. Die Gründe hierfür sind gestiegene Großhandelspreise, aber auch zusätzliche Steuern sowie Gebühren für Einspeisevergütungen und Energieeffizienzmaßnahmen. Die gewonnenen Mittel werden zudem teilweise für die energetische Sanierung von Gebäuden eingesetzt. Zusätzlich wird über die Abgaben ein Heizkostenzuschuss für sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen finanziert. Allerdings steht aus Sicht der Regierung die Lenkungswirkung der Abgaben im Vordergrund: Der CO2-Ausstoß soll belastet werden. Doch nach zahlreichen Protesten von Energieversorgern und Verbrauchern werden einige Öko-Abgaben nun gesenkt und sollen jedem Haushalt rd. 60 € pro Jahr an Einsparungen bringen. War der britische Energiesektor früher für Investoren interessant, haben sich die Rahmenbedingungen durch immer neue und komplexe Regulierungen verschlechtert Eisenhans | Fotolia.com Besteht eine Versorgungslücke im Winter 2015/2016? lagenrichtlinie und stoßen zu viel Schwefeldioxid, Stickoxide und Staub aus. Spätestens bis zum 31.12.2015 müssen diese Kraftwerke laut den EU-Vorgaben abgeschaltet werden. Der Übertragungsnetzbetreiber National Grid hat bereits vorgeschlagen, Geschäfte und Unternehmen am frühen Nachmittag zu schließen, um die Energienachfrage einzudämmen. Als Anreiz sollen die Unternehmen einen finanziellen Ausgleich erhalten. Aus Sicht der Energie-Regulierungsbehörde OFGEM (Office of Gas and Electricity Markets) besteht im Winter 2015/2016 das erste Mal die Gefahr einer Versorgungslücke bei der Stromversorgung. OFGEM schätzt, dass die verfügbaren Kapazitätsreserven im Stromnetz von heute 14 % auf 4 % sinken werden. Zahlreiche Kohle- und Gaskraftwerke entsprechen nicht der EU-Großfeuerungsan- Allerdings hinterfragen zahlreiche Marktbeobachter die These der Stromlücke. So verweist Graham Weale, Chief Economist bei RWE, darauf, dass die Nachfrage nach Elektrizität laut regierungsamtlicher Statistik kontinuierlich zurückgehe und bei Gas sogar deutlich falle. Ein Trend, der auch in anderen EU-Staaten wie Deutschland, Frankreich und Italien zu sehen sei. „Die 120 zentrale Frage ist“, so Weale, „welchen Energiemix wir in 20 Jahren haben wollen, um die Klimaziele zu den günstigsten Kosten zu erreichen, und wie dieser finanziert wird.“ Differenzkontrakt ersetzt Quotensystem für erneuerbare Energien Auf der Suche nach einer Antwort hat die britische Regierung mit dem „Energy Act“ nun die Rahmengesetzgebung für die Förderung erneuerbarer Energien festgelegt. Der erste Schritt ist der Abschied von dem System der „Renewable Obligation“. Bisher waren die Energieversorger verpflichtet, Anteile ihres Stroms aus Erneuerbaren herzustellen bzw. sich über Ersatzmaßnahmen und Zertifikatekauf von dieser Pflicht zu befreien. ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 64. Jg. (2014) Heft 1/2
  • 2. INTERNATIONAL Das neue Instrument, um CO2-freie Technologien wie Erneuerbare und Kernkraft zu fördern, ist nun der Differenzkontrakt. Über einen Basispreis, den sog. strike price, soll sichergestellt werden, dass Energieerzeugern ein sicherer Abnahmepreis garantiert wird. Dieser Differenzkontrakt (im Englischen Contract for Difference, CfD) ist bei den Banken in der Londoner City ein erprobtes Finanzinstrument, dessen Mechanismus nun ebenfalls im Elektrizitätsmarkt angewendet werden soll. Auf diese Art und Weise sollen die Stromerzeuger einen garantierten Abnahmepreis für ihre Energie erhalten. Zusätzlich wird zur Kontrolle der Preishöhe und -funktion noch ein technisches Expertengremium eingesetzt, das aus Projektfinanziers, Ökonomen und Ingenieuren besteht. Dieses Gremium soll direkt an den Energieminister berichten. Die Erzeuger müssen sich um einen Differenzkontrakt im wettbewerblichen Verfahren bewerben. Bekommt ein Stromerzeuger den Zuschlag, erhält er somit das Recht, am Handel mit dem garantierten Abnahmepreis teilzunehmen. Vereinfacht funktioniert der Mechanismus wie folgt: Steigt der Strompreis über den Basispreis, also den „strike price“, muss der Erzeuger den Differenzbetrag übernehmen. Diesen Betrag zahlt er an das staatliche Unternehmen „CfD counterparty company“. Das neue Strommarktrecht sieht vor, dass zwischen den Stromerzeugern und den Versorgungsunternehmen die staatliche „CfD counterparty company“ geschaltet ist, die der direkten Weisungsbefugnis des Energieministers unterliegt. Seine Aufgabe ist es, einen eigenen bilateralen Vertrag jeweils mit den Erzeugern und den Anbietern im Industrie- und Endkundengeschäft herzustellen – mit dem Ziel, einen Preis zu erreichen, bei dem sich langfristige Investitionen in den Energiesektor lohnen. Kapazitätsmarkt Zahlreiche weitere Regulierungen sollen die Funktionsfähigkeit und Liquidität innerhalb dieses neuen Strommarktes absichern. Zum Zeitpunkt der Drucklegung dieses Artikels hatte die Regierung den Basispreis noch nicht festgelegt, aber eine Konsultation zum CfD-Mechanismus gestartet. Die Konsultation endet am 17.2.2014. In den folgenden Monaten sollen auch die ersten Differenzkontrakte auf den Markt kommen. Der „strike price“ wird dann für den Zeitraum von 2014–2018 vom Energieminister festgelegt. Die relevanten Informationen, die die politische Meinungsbildung zur Preisfindung beeinflussen, werden maßgeblich von den Übertragungsnetzbetreibern geliefert. Aus Sicht der Energiewirtschaft hat das neue System trotz seiner Komplexität auch Vorteile: Investments im Kraftwerksbau werden kalkulierbarer. Zudem wird verhindert, dass ein volatiler Großhandelspreis zu instabilen Marktbedingungen führen kann und bereits getätigte Investitionen entwertet. Zum Jahreswechsel 2018/2019 plant die britische Regierung, einen funktionierenden Kapazitätsmarkt mit einem Auktionsmechanismus etabliert zu haben. Durch die Neuerung sollen Investitionen in den Kraftwerkspark sich rechnen und Versorgungssicherheit garantiert werden. Die Regierung plant trotz ihrer Ankündigung zum Kapazitätsmarkt dennoch über eine Studie prüfen zu lassen, welche Vorteile das neue Marktdesign mit sich bringen könnte. Werden durch die Novellen die klimapolitischen Ziele erreicht, Versorgungssicherheit garantiert und die Bezahlbarkeit von Energie für Haushalte und Industrie sichergestellt? Es gibt kaum Zweifel daran, dass die verschiedenen Regierungs- und Verwaltungsgremien dieses Vorgehen befürworten werden. Im nächsten Schritt wird das Energieministerium eine Auktion mit den Stromerzeugern durchführen. Können die Anbieter nachweisen, dass sie über die notwendige Erzeugungskapazität verfügen und zudem aufzeigen, dass sie das Nachfragemanagement, etwa durch Smart  Metering, beherrschen, haben sie gute Chancen, erfolgreich an der Auktion teilzunehmen. Insbesondere der Bereich Smart  Metering verspricht hier interessante Zukunftsperspektiven. Die Kosten für die zusätzliche Kapazität soll von den Energieanbietern im Leiter (m/w) der Komponente Erneuerbare Energien Abuja, Nigeria Tätigkeitsbereich Eines der größten Probleme bei der Entwicklung der nigerianischen Wirtschaft ist die seit Jahrzehnten völlig unzureichende Stromversorgung. Das erklärte Ziel der neuen Regierung ist es, mit einem Bündel von Maßnahmen diesem Missstand zu begegnen. Strukturen sollen überprüft, effizienter gestaltet oder neu geschaffen werden. Das großvolumige GIZ-Vorhaben „Energiepolitikberatung in Nigeria“ im Auftrag des BMZ ist für die deutschnigerianische Energiepartnerschaft von hoher politischer Bedeutung. Ihre Aufgaben Als Leiter/in sind Sie verantwortlich für die fachliche Beratung des Energieministeriums, der Energieregulierungsbehörde sowie weiterer Institutionen und Behörden bei der Einführung förderlicher Rahmenbedingungen für Erneuerbare Energien. Ihr Tätigkeitsfeld umfasst unter anderem die Steuerung der fachlichen, organisatorischen und inhaltlichen Durchführung der Projektkomponente, die Beratung bei der Erstellung und Implementierung von Strategien und Förderprogrammen als auch die Unterstützung beim Aufbau institutioneller Kapazitäten und Strukturen für Erneuerbare Energien im Energieministerium sowie in der Regulierungsbehörde. Ihr Profil Sie sind Fachexperte/in für Erneuerbare Energien, insbesondere in den Bereichen Photovoltaik (PV), Wasserkraft oder Biomasse. Sie kennen sich im Bereich der Privatisierung des Stromsektors sowie mit Energieplanung, Strompreisbildung, Netzbetrieb und Systemmanagement gut aus. Strategieentwicklung und Implementierung von Förderprogrammen für Erneuerbare Energien sind Ihnen bestens bekannt. Interkulturelle Umsicht in der Beratung anspruchsvoller Partner ist Teil Ihres Erfolgsrezepts. Haben wir Ihr Interesse geweckt, dann freuen wir uns auf Ihre Bewerbung über unseren Online-Stellenmarkt: www.giz.de/jobs. Job ID: 15402 www.giz.de ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 64. Jg. (2014) Heft 1/2 ARBEITGEBER 121
  • 3. INTERNATIONAL Industrie- und Endkundengeschäft – und somit letztlich vom Kunden – bezahlt werden. tuell ändert. Die Berechnung des „carbon floor price“ basiert somit auf Hochrechnungen und wird politisch für mehrere Jahre festgelegt. bezeichnen diese Form der Finanzierung als Subvention, was ursprünglich von der Regierungskoalition ausgeschlossen wurde. Aus Sicht von Graham Weale, Chief Economist bei RWE, bilden sowohl der Kapazitätsmarkt als auch das Instrument des Differenzkontraktes interessante Perspektiven. Gleichwohl weist er darauf hin, dass der Energieminister über den Energy Act erhebliche Eingriffsmöglichkeiten erhalte. Dies wurde auch in den parlamentarischen Beratungen im House of Lords moniert und in Teilen geändert. Weale verweist auf Spanien, wo aus Kostengründen der zuständige Minister innerhalb einer sehr kurzen Zeit die Förderung erneuerbarer Energien heruntergefahren habe. Solche Entwicklungen in anderen europäischen Staaten werden auch in der britischen Energiewirtschaft sehr genau wahrgenommen: Verlässlichkeit ist entscheidend für Investitionen in die Zukunft. Zwar soll die Steuer bei einem steigenden Zertifikatpreis sinken und sich bei einem niedrigen Zertifikatepreis erhöhen. Doch schon heute hat die Regierung den „carbon floor price“ für die Jahre 2016 und 2017 höher angesetzt (25,25  € bzw. 29,32  €), da sie davon ausgeht, dass sich der EU-Zertifikatepreis weiterhin auf niedrigem Preisniveau befinden wird – und dies trotz der Backloading-Entscheidung des Europäischen Parlamentes. Ab 2016 greift die neue Steuer voll beim Energieträger Kohle, der dann zu erheblich geringeren Margen verstromt werden wird. Der größte Wirtschaftsverband Großbritanniens hat unter Leitung seines Generaldirektors John Cridland die Einführung des „carbon floor price“ deutlich kritisiert. Aus seiner Sicht wird die britische Industrie in ihrer Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu anderen EU-Staaten stark benachteiligt. Durch den Zubau von Nuklearkapazitäten erhofft sich die Regierungskoalition von Premierminister Cameron sinkende Energiepreise. Die endgültige Zusage von EDF und der China General Power Group für dieses Projekt hängt u.  a. von der Entscheidung der EUKommission ab, welche aktuell prüft, ob der vereinbarte Abnahmepreis nicht einer unrechtmäßigen staatlichen Beihilfe entspricht und damit gegen das Wettbewerbsrecht verstößt. EU-Energiekommissar Günther Oettinger sagte dazu, dass hier die lange Frist von 35 Jahren ein Problem darstellen könnte. Eine neue CO2-Steuer – carbon floor price Einen weitreichenden energiepolitischen Eingriff haben die britische Industrie und Energiewirtschaft bereits durch die Einführung des „carbon floor price“ in 2013 verarbeiten müssen. Diese CO2-Steuer auf fossile Energieträger verfolgt das Ziel, Investitionen in treibhausgasarme und freie Energieträger abzusichern. Damit reflektiert die Steuer die Überlegungen des Ökonomen Nicolas Stern, dass ein „Laissez-faire“ bei den Treibhausgasemissionen hohe gesellschaftliche Kosten nach sich zieht. Die Thesen des Stern-Reports [2] haben einen breiten Widerhall in den Medien und ebenso in der Politik gefunden. Energiewirtschaftliche Rahmenbedingungen im Strommarkt Obwohl die Regierung eine kohlenstoffarme Wirtschaft erreichen will, hat die Bedeutung von Kohle für die Stromproduktion zugenommen. 2011 wurden 30 % des Stroms mit Kohle hergestellt; 2012 waren es 42,8 %, während der Anteil von Gas von 40  % auf 30  % zurückgegangen ist. Die Kernenergie liefert rd. 20 % der Elektrizität, Wind 2,1 % und Solar 0,32 %. Über 43 % der Energieträger werden importiert, und der CO2-Ausstoß ist im Jahr 2012 um 3,5 % gestiegen. Kernkraft Der Referenzpreis für diese Steuer entsteht im Europäischen Emissionszertifikatehandel. Dabei geht der britische Gesetzgeber davon aus, dass der durchschnittliche Preis eines Zertifikates für 1 t CO2 bei rd. 17 € liegt. Aktuell bewegt sich dieser Wert bei rd. 5 €. Der „carbon floor price“ wird zwei Jahre im Voraus von der britischen Regierung festgelegt. Für das Jahr 2014 beträgt dieser 11,37 € (9,55 ₤), für das Jahr 2015 21,53 € (18,08 ₤). Kritiker monieren die Festlegung des Preises durch die Politik, da so die britische Wirtschaft von den Preissignalen des EU-Zertifikatepreises abgeschirmt werde, welcher sich tagesak122 Kernkraft ist ein weiterer Teil der britischen Klimaschutzstrategie, um Treibhausgasemissionen und die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu reduzieren. Dafür soll das „Hinkley Point C“-Kraftwerk in Somerset durch den französischen Staatskonzern EDF Energy gebaut werden. Im Oktober 2013 einigten sich die britische Regierung und EDF auf einen festen Abnahmepreis von 110,10 € für jede MWh – gültig für 35 Jahre. Dies ist doppelt so hoch wie der aktuelle Elektrizitätspreis. Sollte EDF ein zweites Atomkraftwerk bei Sizewell in Suffolk bauen, würde der Preis auf 106,60 €/MWh fallen. Kritiker Kohle Die Renaissance der Kohle speist sich aus zwei Entwicklungen. Zum einen ist der Preis für Treibhausgas-Zertifikate günstig. Zum anderen kann die Importkohle wegen des Frackings in den USA zu Niedrigpreisen eingekauft werden. Gleichzeitig bleibt die heimische Förderung von Kohle zu teuer. „UK Coal“, der größte Kohleproduzent auf der Insel, ging im Sommer 2013 in die Insolvenz. Während die Margen bei der Gasverstromung bei rd. 6,5 €/MWh liegen, liegt sie bei Kohle aktuell bei 28 €/MWh, schreibt die Financial Times. Allerdings rechnen Energiewirtschaft und Politik mit einer Drehung dieser Anteile ab 2016. Dann greift die EU-Großfeuerungsanlagenrichtlinie. Sollte die britische Regierung bis dahin keine europarechtskonforme Übergangsregelung finden, müssen mehrere Altanlagen außer Betrieb genommen werden. Gleichzeitig wird die „carbon floor“Steuer ab 2016 voll für Kohle greifen. Schiefergas Im Gegensatz zur Kernenergie, für die es einen breiten gesellschaftlichen Konsens gibt, stößt das Thema Schiefergas auf eine erheblich skeptischere britische Öffentlichkeit. Bei der Meinungsbildung haben sich die beiden größten britischen Unternehmen in diesem Bereich, BP und Shell, zurückgehalten. Simon Henry, Chief Financial Officer, kündigte im April dieses Jahres an, dass Shell seine Prioritäten in anderen Regionen sehe. ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 64. Jg. (2014) Heft 1/2
  • 4. INTERNATIONAL Eine Studie des British Geological Survey geht von einem Schiefergas-Aufkommen von bis zu 62 Mrd. m3 aus. Davon sei nach aktuellem Stand der Technik bis zu 20  % wirtschaftlich zu erschließen. Die britische Regierung möchte die heimische Schiefergasindustrie ausbauen. So versprach Schatzkanzler George Osborne im März 2013 Steuervergünstigungen für Fracking. LNG und Erdgas Seit 2004 ist Großbritannien Nettoimporteur von Erdgas und seit 2005 von Erdöl. Im Jahr 2012 kamen die Gas-Importe zu 55 % aus Norwegen, zu 27 % aus Katar und zu 15 % aus den Niederlanden. Von den gesamten Gas-Importen entfielen 28 % auf die Einfuhr von LNG – dies zu 98 % aus Katar. 50 % der Rohöl-Importe werden von Norwegen bezogen, es folgenden Nigeria mit 12 %, Russland mit 11 % und Algerien mit 6 %. Im Laufe des Jahres 2013 sind sowohl die britische Öl- als auch Gasproduktion weiterhin stark gefallen. Damit wird der Import von Gas, insbesondere von LNG, eine immer größere Bedeutung einnehmen. Unterstützung als in den anderen Regionen Großbritanniens. Gleichzeitig verfügt das Land über reiche Öl- und Gasvorkommen und eine starke Offshore-Windindustrie, in die auch zahlreiche deutsche Stadtwerke investiert haben. Die schottische Regierung mit Sitz in Edinburgh erhofft sich durch die politische Unabhängigkeit auch Energieautarkie. Zusätzlich will sie einen Staatsfonds nach norwegischem Vorbild einrichten, der sich aus den Energie- bzw. Energiesteuereinnahmen finanzieren soll. Allerdings plant der schottische Ministerpräsident Alex Salmond (Schottische Unabhängigkeitspartei, SNP) ab spätestens 2020 den gesamten Energiebedarf aus erneuerbaren Energien zu decken. Stimmen die Schotten mehrheitlich für eine Unabhängigkeit, würde aber eine Energiepartnerschaft mit der britischen Regierung sofort greifen. Dann würde der „Energy Act“ und somit der Kapazitätsmarkt auch in einem unabhängigen Schottland gelten. diese Debatte rasch reagiert, indem er die Energieeffizienzumlage auf den Energiepreis reduziert hat. Die öffentlichkeitswirksamen Reden und Gegenreden sowie symbolischen Handlungen überlagern aber die strukturellen Herausforderungen der britischen Energiewirtschaft. War der britische Energiesektor früher für Investoren interessant, haben sich die Rahmenbedingungen durch immer neue und komplexe Regulierungen weniger positiv entwickelt. Dies gilt sowohl für die Energieproduktionsseite wie auch für den Bereich Energieeffizienz und dort insbesondere für die energetische Gebäudesanierung. Dennoch lässt sich festhalten, dass das Land dem Ziel einer CO2freien Energiewirtschaft inzwischen erheblich näher gekommen ist. Insbesondere im Bereich Smart Metering ist Großbritannien auf einem interesssanten Weg. Anmerkungen [1] Die Mitteilung der Finanzbehörde zum carbon Ausblick: Energiepreise im Mittelpunkt der politischen Debatte floor price findet sich im Internet: https://www.gov. uk/government/uploads/system/uploads/attachment_ data/file/179259/carbon_price_floor.pdf.pdf Der „Green Deal“ Neben dem Strommarkt spielt der Wärmemarkt mit 46  % Energieverbrauch und gut 30 % Treibhausgasemissionen eine zentrale Rolle. Die britische Regierung hat mit dem Green Deal seit Anfang 2013 ein Fördersystem etabliert, das die energetische Gebäudesanierung voranbringen soll. Hausbesitzer können einen Green Deal-Kredit bei einem Anbieter aufnehmen. Dies sind entweder spezialisierte Finanzierungsunternehmen oder Energieversorger wie British Gas oder EDF. Über die Strom- und Gasrechnung wird dieser Kredit dann getilgt. Allerdings haben bis Ende 2013 nur rd. 500 von 14 Mio. Haushalten eine Green Deal-Finanzierung beantragt. Regierungsvertreter erklären das geringe Interesse unter anderem mit dem aktuell niedrigen Zinsniveau. Sonderfall Schottland Am 18.9.2014 wird in Schottland eine Volksabstimmung zur Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich abgehalten, Energiefragen spielen dabei eine zentrale Rolle. Die Kernenergie erfährt bei den Schotten weniger Mit der Ankündigung des Oppositionsführers Ed Miliband, im Falle eines LabourWahlsieges die Energiepreise für 20 Monate einzufrieren, ist das Thema Energiepreise auf die politische Tagesordnung gekommen. Premierminister David Cameron hat auf [2] Stern, N.: The Economics of Climate Change. The Stern Review, Cambridge 2007. M. Rosenthal, Geschäftsführer, nuances public affairs, Berlin mrosenthal@nuances.de Smart Renewables 2014 Der Umbau der deutschen Energieversorgung schreitet voran. Mit zunehmendem Anteil erneuerbarer Energien am Strommix wachsen auch die Herausforderungen. Jetzt kommt es darauf an, den Rollentausch von einer auf konventionellen Energieträgern hin zu einer auf Erneuerbaren basierenden Energieversorgung zu vollziehen. Das bedeutet: Zukünftig müssen die Erneuerbaren für eine bezahlbare und sichere Energieversorgung sorgen. Wie das gelingen kann und an welchen Stellschrauben jetzt gedreht werden muss – diese und andere Fragen wird auf der Smart Renewables 2014 vom 25.-26.2.2014 in Berlin diskutiert. Unter dem Motto lautet „Rollentausch: Wie können die Erneuerbaren Energien die Energieversorgung sicherstellen?“ werden folgende Fragen im Mittelpunkt stehen: Wie kann ein Zielmodell zur Förderung der erneuerbaren Energien aussehen? Welche Voraussetzungen müssen für eine Systemstabilität erfüllt werden? Wo ergeben sich im Zusammenhang mit dem Ausbau der Erneuerbaren neue Geschäftsfelder? Wie wird die Europakompatibilität der Förderung sichergestellt? Weitere Information und Anmeldung zur BDEW-Leitveranstaltung Smart Renewables 2014 unter: www.smart-renewables.de ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 64. Jg. (2014) Heft 1/2 123